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Das Geschäft mit der Bonitätsauskunft über Unternehmen

Der Markt für Bonitätsdaten ist nicht erst seit der Finanzkrise, sondern im Zeitalter der Informationsgesellschaft generell gefragt. Wenn zwei Unternehmen einen Vertrag schließen, stellt sich bei mindestens einem Vertragspartner die Frage, ob der andere auch zahlen kann und wird? Gerade wenn es um hohe Beträge geht, kann ein Forderungsausfall fatale Folgen haben. Das Bedürfnis an zuverlässigen Informationen hat einen eigenen Markt hervorgebracht. Auf diesen Markt drängen Auskunfteien, die u.a. Informationen über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit von Unternehmen (sprich deren Bonität) sammeln und Dritten entgeltlich zur Verfügung stellen. Dieses Geschäft ist sehr einträglich. Selbstverständlich haben Unternehmen das Recht, sich über ihre Vertragspartner zu informieren. Aber die Missbrauchsgefahren sind groß und die Rechtsordnung hat nur wenige Gesetze geschaffen, die diesen Markt regulieren. Beratung von spezialisierten Rechtsanwälten erfährt in diesem Fall eine besondere Bedeutung.

Übersicht


Gibt es Auskunfteien, die Unternehmen bewerten?

Auskunfteien sind den meisten Bürgern nur als Sammler von Bonitätsdaten über Privatpersonen bekannt. Der Begriff Schufa ist in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Jeder kennt das: Banken informieren sich bei der Schufa über die Kreditwürdigkeit eines Kunden bevor er ein Darlehen bekommen. Oder der Vermieter fragt nach einer Schufa-Eigenauskunft bevor der Mietvertrag zustande kommt. Doch wer nun glaubt, Unternehmen oder Unternehmenseigner seien nicht betroffen, irrt sich. Die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen ist für den Wirtschaftsverkehr von erheblicher Bedeutung und Auskunfteien wie die Schufa, Bürgel oder Creditreform machen auf diesem Markt zahlreiche Angebote.

Was genau bewerten die Auskunfteien?

Unter dem Stichwort „B2B – Firmeninformationen“ (Buisiness to Buisiness, gemeint ist der Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen) speichern viele Auskunfteien ausführliche Informationen. Die Schufa Holding AG bietet beispielsweise unter der Produktsparte „Für Ihr Geschäft mit gewerblichen Kunden (B2B)“ Vollauskünfte über Kapital- und Personengesellschaften an.

Zahlreiche Daten zu Ihrem Unternehmen

Dritte erfahren auf diesem Weg alles über ein Unternehmen. Gespeichert werden u.a. die Anschriften und Kommunikationsdaten, die Rechtsform, eventuelle Beteiligungen, der Geschäftsgegenstand, Daten über die Finanzlage und Bonität bis hin zu den wichtigsten Geschäftsdaten (z.B. Umsatz und Stammkapital). Im Rahmen des sogenannten Monitoring werden Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum überwacht. Dritte erhalten dann alle wesentlichen Daten. Dazu zählen u.a. Informationen über die Firmenhistorie, den Immobilienbesitz und über die Bankverbindungen. Die Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG speichert Firmeninformationen über mehr als 3,9 Millionen deutsche sowie auch internationale Unternehmen. Auch die Creditreform gibt Daten über Unternehmen an Dritte weiter. Diese Auskunftei macht Angaben zur Bonität, zum unternehmerischen Umfeld (Verflechtungsdaten), zu Bilanzauskünften und allgemeinen Firmeninformationen. Auch hier wird ein Überwachungsservice (sogenanntes Monitoring) angeboten.

Woher stammen die Daten?

Viele Daten lassen sich im Internet oder über öffentliche Register (Handels- und Schuldnerregister) recherchieren. Die Daten zur Finanzlage und Bonität – hier sollte sich niemand Illusionen hingeben – stammen jedenfalls auch aus dem Informationssystem der Auskunfteien selbst, zu denen eben auch andere Unternehmen gehören. Im Klartext: Sie werden unter Umständen auch von Ihrer Konkurrenz bewertet.

Kopfnoten für Freiberufler, Kleingewerbetreibende und Geschäftsführer

Die Schufa Holding bietet Dritten auch sogenannte Score-Werte über Freiberufler (z.B. Architekten, Journalisten), Kleingewerbetreibende (z.B. Franchisenehmer) und privat haftende Geschäftsführer und Gesellschafter an. Score-Werte drücken aus, wie wahrscheinlich es ist, dass die Betroffenen ihre Rechnungen bezahlen können. Die Scorewerte sind also die Kopfnoten der Finanzwelt. Nur dass hier nicht Betragen, Fleiß und Ordnung, sondern Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit bewertet werden. Abermals ist die Schufa Holding AG nicht die einzige Anbieterin dieser Dienstleistung. Auch andere Auskunfteien mischen mit.

Wie funktioniert dieses Unternehmen-Scoring?

Das Unternehmen-Scoring des Marktführers Schufa funktioniert wie folgt: Jedes bewertete Unternehmen erhält eine Punktzahl zwischen 0 (niedrigste Kreditwürdigkeit) und 1000 (höchste Kreditwürdigkeit). Außerdem werden die Betroffenen in sogenannte Ratingklassen unterteilt, welche die Kreditwürdigkeit durch Zugehörigkeit in eine Gruppe ausdrücken. Angehörige der Gruppe A sind sehr kreditwürdig, Angehörige der Gruppe B etwas weniger usw.

Welche Folgen hat die Datenverarbeitung?

Wenn ein Unternehmen hinsichtlich der Bonität bewertet wird, sind zwei Fälle zu unterscheiden: Gute Auswirkungen haben sogenannte Positiveinträge. Diese Informationen bescheinigen dem betroffenen Unternehmen eine gute Kreditwürdigkeit. Vertragspartner werden also aufgeschlossen sein. Schlechte Auswirkungen haben sogenannte Negativeinträge. Negativeinträge attestieren dem betroffenen Unternehmen eine mangelnde Zahlungsfähigkeit bzw. Zahlungswilligkeit. Sind Negativeinträge vorhanden, sind die Folgen erheblich. Da bereits Privatpersonen in den finanziellen Ruin geraten können, ist diese Gefahr bei Unternehmen ungleich höher.

Wie kann man sich wehren?

Bei den Rechtsschutzmöglichkeiten muss zwischen Privatpersonen und Unternehmen unterschieden werden. Wenn falsche Bonitätsdaten über eine Privatperson verbreitet werden, stellt das einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dar. Es bestehen Ansprüche auf Löschung, Widerruf, Unterlassung, ggf. auch Schadenersatz. Bei Unternehmen im wirtschaftlichen Sinn muss aber differenziert werden. Das BDSG schützt Freiberufler und Kleingewerbetreibende. Dazu zählen Einzelkaufleute, Rechtsanwälte, Architekten. Diesen Unternehmern stehen die gleichen Rechte wie Privatpersonen zur Seite. Alle anderen Unternehmen als juristische Person werden nicht durch das BDSG erfasst und sind auf das allgemeine Deliktsrecht verwiesen.

Freiberufler und Kleingewerbetreibende geschützt nach dem BDSG

Die Freiberufler und Kleingewerbetreibende werden durch das BDSG wie alle anderen Privatpersonen geschützt. Das gleiche gilt, wenn die Geschäftsführer einer GmbH als Einzelperson bewertet werden. Dann ist der Geschäftsführer gerade als natürliche Person und auch in seiner Eigenschaft als Verbraucher betroffen, mit der Folge, dass das BDSG anwendbar ist. Im Anwendungsbereich des BDSG gilt der Grundsatz: Alle Datenverarbeitungen sind rechtswidrig, es sei denn, es gibt einen Rechtfertigungsgrund. Die Stelle, die für die Bonitätsbewertung verantwortlich ist, muss also beweisen, dass die Bewertung gerechtfertigt war. Hat ein früherer Vertragspartner die Daten, die das Unternehmen betreffen, an die Auskunftei weitergegeben, so ist es erforderlich, dass die Datenweitergabe verhältnismäßig war. Kurzum: In einem Rechtsstreit muss der ehemaligen Vertragspartner beweisen, dass einer der Rechtfertigungsgründe greift. Wenn ihm das nicht gelingt, muss er die Daten bei der Auskunftei widerrufen. Die Auskunftei ist dann zur Löschung verpflichtet. Hat die Auskunftei die Daten aber selbst recherchiert, ist für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung die Datenquelle entscheidend. Auskunfteien dürfen sich nämlich nicht aus allen Quellen bedienen, nur weil diese öffentlich sind. Auch die Recherche von Daten ist eine grundsätzlich rechtswidrige Datenverarbeitung, die gerechtfertigt werden muss. Hier ist im Einzelfall auszuloten, ob ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Wenn das nicht der Fall ist, muss die Auskunftei die Daten löschen. Das Scoring unterliegt im Übrigen besonderen datenschutzrechtlichen Anforderungen, die im Einzelfall zu prüfen sind.

Sonstige Unternehmen

Die übrigen Unternehmen in ihrer Funktion als juristische Personen (wie OHG, KG, GmbH, AG) weisen keinen spürbaren Bezug zu Privatpersonen auf. Das Bundesdatenschutzgesetz ist dann nicht direkt anwendbar. Gerade der Vergleich in andere europäische Rechtsordnungen zeigt aber, dass es nicht abwegig wäre, auch die Unternehmen durch das Datenschutzrecht zu schützen. Auf jeden Fall sind auch diese Unternehmen nicht völlig rechtlos gestellt. Selbstverständlich, so auch das Bundesverwaltungsgericht, haben auch Unternehmen ein Anrecht auf Datenschutz (BVerwG, Urt. v. 20.12.2001 – 6 C 7/01). Dieses Recht wird durch falsche oder unverhältnismäßige Datenverarbeitungsvorgänge auch verletzt. Daher stehen den Unternehmen ebenfalls Ansprüche auf Löschung bzw. Widerruf, Unterlassung und ggf. Schadenersatz zur Seite. Die günstigen Beweislastregeln dürften auf diese Fälle jedoch nicht übertragbar sein. Das bedeutet, dass Unternehmen es sehr schwerer haben, ihren finanziellen Ruf wiederherzustellen. Gerade hier wird anwaltlicher Beistand ein Schlüssel zur Problembewältigung sein.

Fazit

Die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen ist kein exotisches Geschäft mehr. Sie ist Alltag. Unternehmen, die vielleicht selbst schon einmal Daten über einen Privatkunden weitergegeben haben, wissen daher sehr gut, wie schnell der Datenfluss arbeitet. Feststeht: Berechtigte Negativeinträge können nicht einfach beseitigt werden. Hinter ihnen steht nämlich ein anerkennenswerter Zweck: Der Schutz vor Unternehmen mit einer schlechten Zahlungsmoral. Mit der gleichen Überzeugungskraft kann aber auch gesagt werden, dass Unternehmen rechtswidrige Bewertungen ihrer Bonität nicht dulden müssen. Unternehmen müssen sich wahrlich nicht alles gefallen lassen.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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