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Datenschutz im Mietvertrag: Was gilt als rechtskonform?

Berichte über Datenhandel und Bundestrojaner füllen die Seiten der Print-, TV-, und Digitalmedien und rücken den Datenschutz zu einem gesellschaftspolitischen Thema der Informationsgesellschaft. Diese Entwicklung prallt nun auch auf das bestehende Konzept des deutschen Mietrechts. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen erhöhen den Beratungsbedarf von Vermietern und von Mietern. Vermieter möchten wissen, in welchem Umfang sie Maßnahmen ergreifen dürfen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter berühren könnten. Rechtsfragen, um die bereits Prozesse geführt wurden sind z. B.: Dürfen Vermieter einem einzelnen Mieter die Energiekostenabrechnungen der anderen Mitmieter (z.B. Heizkosten, Wasserverbrauch usw.) vorlegen, um damit ihre jährlichen Rechnungen zu rechtfertigen? Dürfen die Vermieter Wohnungen von Mietern betreten, obwohl im Mietvertrag keine Regelung zu finden ist? Falls nein, gilt dies auch bei einem Wasserrohrbruch und Abwesenheit des Mieters? Dürfen im Eingangsbereich von größeren Mietobjekten Kameras installiert werden, wenn es beispielsweise in der Vergangenheit zu unerwünschten Vorfällen kam? Und umgekehrt: Dürfen Mieter dem Zutritt widersprechen, wenn doch das Recht zum Betreten im Mietvertrag geregelt wurde? Wie sieht es mit dem Einsatz neuer Technologien aus? Eine breite Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und zahlreicher weiterer Gerichte bilden den rechtspraktischen Rahmen für den Datenschutz im Mietrecht.

Übersicht:

Welche praktische Bedeutung hat der Datenschutz im Mietrecht?

Grundsätzlich ist der Datenschutz eine noch recht junge Rechtsmaterie. Anfang der 1980er Jahre entwickelte das Bundesverfassungsgericht im sogenannten „Volkszählungsurteil“ das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also den Datenschutz. Daraus entwickelten sich grundlegende Garantien des Datenschutzes, die nunmehr über die EU-Datenschutzrichtlinie (46/95/EG) für die gesamte Europäische Union gelten. Das Mietrecht garantiert einen besonderen Schutz der Privatsphäre, nämlich den Schutz der vermieteten Wohnung. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ein „eigenes Grundrecht“ zum Schutz der Privatsphäre entwickelt, der eben für Mieter und Eigentümer von selbstgenutzten Wohnraum gleichermaßen gilt.

Aus der Sicht von Vermietern muss klar sein, dass sie die Beachtung der bestehenden Rechtslage eine zeit- und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden hilft. Das bedeutet aber auch, dass Vermieter selbstbewusst mit den Rechten umgehen sollte, die ihm dennoch zustehen. Deshalb ist es für beide Seiten, für Vermieter und Mieter, wichtig, um diese Rechten und -pflichten zu wissen.

Das Recht auf Privatsphäre („in Ruhe gelassen zu werden“)

rundsätzlich wird dem Eigentümer oder Mieter von selbstgenutztem Wohnraum der Schutz der räumlichen Sphäre garantiert, in der sich das Privatleben entfalten kann. Anders ausgedrückt: Ein Mieter hat das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Deshalb ist es grundsätzlich nicht rechtskonform, wenn der Vermieter ungefragt gegen den Willen des Mieters in die Wohnung eindringt. Bei mietrechtlichen Streitigkeiten wird der Richter die Privatsphäre der Wohnung zumindest berücksichtigen.

… kann eingeschränkt werden

Allerdings geltend diese Rechte des Mieters nicht schrankenlos. Je nach Einzelfall können Eingriffe des Vermieters gerechtfertigt sein. Zwei Rechtfertigungsgründe sind anerkannt: Entweder der Mieter willigt in die Maßnahme ein (z.B. durch eine besondere Klausel im Mietvertrag) oder eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass die Rechte des Mieters ganz oder teilweise zurücktreten. Eine Einwilligung ist immer die sicherste Variante. Für den Vermieter stellt sich hier allerdings im Vorfeld die Notwendigkeit, auf eine exakte und richtige Formulierung des Mietvertrages zu achten.

Aus der Praxis: die Energiekosten der anderen Mieter

Ein Mieter erhält eine Rechnung für die jährlichen Heizkosten und ist der Meinung, dass Unregelmäßigkeiten vorliegen. Er widerspricht der Rechnung. In diesem Fall ist es anerkannt, dass dem Mieter ein Recht auf Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zur Seite steht. Das Amtsgericht Münster hatte bereits 1998 einen Fall zu entscheiden, in dem der Vermieter die Einsichtnahme verweigerte (AG Münster, Urt. v. 13.11.1998 – 3 C 2015/98). Der Vermieter begründete die Verweigerung damit, dass er bei Offenlegung der Unterlagen, das Heizverhalten der anderen Mieter offen legen würde. Dies stelle eine Datenschutzverletzung der anderen Mieter dar. Das Amtsgericht Münster entschied, dass datenschutzrechtliche Belange nicht entgegenstünden, weil der Datenschutz im Mietrecht in Einzelfällen durchbrochen werde. In diesem Fall rechtfertigte die Pflicht des Vermieters zur ordnungsgemäßen Rechnungsstellung den Eingriff in die Privatsphäre der anderen Mieter. Das Amtsgericht Münster hat aber im Jahre 1998 das Rad nicht neu erfunden. Bereits 1985 hatte das Amtsgericht Dortmund den Datenschutz im Mietrecht mit ähnlicher Begründung eingeschränkt (AG Dortmund, Urt. v. 15.04.1986 – 132 C 532/85).

Darf der Vermieter die Wohnung betreten?

Eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen erging und ergeht immer wieder zu der Frage des Betretungsrechtes des Vermieters in die vermietete Wohnung. Immer noch existieren Mietverträge, in denen das Betretungsrecht des Vermieters nicht näher geregelt ist. Probleme entstehen dann, wenn der Vermieter das Objekt nach einigen Jahren verkaufen will und dazu zwecks Evaluierung einem Immobilienmakler das Objekt zeigen möchte. Diesen Fall hatte das Amtsgericht Lüdenscheid zu entscheiden (AG Lüdenscheid, Urt. v. 23.08.1990 – 8 C 698/90). Das Amtsgericht führt aus, dass eine Besichtigung – auch in Begleitung eines Maklers – grundsätzlich zulässig sei, selbst wenn der Mietvertrag keine Besichtigungsklausel enthält. Allerdings muss der Mieter rechtzeitig informiert werden. Was rechtzeitig bedeutet, hängt vom Einzelfall ab. Bei berufstätigen Mietern, so das Amtsgericht, müssen vier Tage zwischen Anmeldung und Termin liegen.

Grundsätzlich ist das Betreten ohne entsprechende Vertragsklausel aber unzulässig. Ausnahmen sind neben den oben genannten Besichtigungszwecken die Fälle der Gefahr im Verzug (z.B. Rohrbruch, Feuer usw.) oder die erforderliche Feststellung notwendiger Instandsetzungsarbeiten. Selbst wenn aber solche besonderen Umstände vorliegen, ist die Maßnahme nicht automatisch rechtmäßig. Das Landgericht Kiel entschied, dass ein Mieter nicht dulden müsse, dass dieselben Kaufinteressenten die betroffene Wohnung zweimal besichtigen (LG Kiel, Urt. v. 01.06.1992 – 1 S 26/91).

Wie präzise muss die Einwilligungserklärung formuliert sein?

Aus alldem ergibt sich: der beste Rechtfertigungsgrund zur Vermeidung von Rechtsproblemen ist die vorherige Einholung der Zustimmung des Mieters. Doch dabei kommt es auf die Formulierung an. Nicht jede Einwilligung ist nämlich wirksam. Standardmäßige Einwilligungserklärungen in vorformulierten Verträgen können unwirksam sein, wenn sie den Mieter unangemessen benachteiligen. Aber auch individuelle Abreden können nichtig sein, weil sie sittenwidrig sind.

Die größte Gefahr besteht darin, dass Klauseln zu unbestimmt sind. Selbst die im Papiergeschäft oder im Kaufhaus zu erwerbenden Muster-Mietverträge berücksichtigen meist nicht hinreichend die Besonderheiten von einzelnen Mietobjekten. So entschied das Landgericht Mainz, dass eine Klausel unwirksam sei, die eine pauschale Datenweitergabe ohne nähere Benennung von Zweck und Empfängern zulässt (LG Mainz, Urt. v. 25.02.1988 – 1 O 284/87). Für Vermieter lohnt es sich deshalb, die entsprechenden Mietverträge mit den jeweiligen Einwilligungsklauseln sehr präzise zu formulieren, damit man hinterher nicht Gefahr läuft, dass Vertragsklauseln als unwirksam behandelt werden. Im Datenschutzrecht sollte in Klauseln immer aufgeführt werden, wozu eine Datenverarbeitung stattfindet und es sollten Gründe genannt werden, die die Maßnahme rechtfertigen. Ebenso sollte der Zweck und der Empfängerkreis benannt werden.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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Telefon +49 331 9793750
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