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Die geplatzte Städtereise: Fernsehinterview zum Fall des Berlin Touristik Center

Seitdem Reisen auch über das Internet verkauft werden, häufen sich Fälle wie dem folgenden: ein Berliner Reiseveranstalter bot auf der Handelsplattform eBay Gutscheine mit attraktiven Städtereisen an, z. B. zwei Übernachtungen mit Frühstück in einem Vier-Sterne-Hotel. Je nach Angebot sollte der Gutschein auch für ein romantisches Dinner oder für Musical-Karten eingelöst werden können. Wie bei eBay üblich verlangte der Verkäufer Vorkasse. Tausende ersteigerten solche Schnäppchen. Bis April 2008 gab es nichts zu beanstanden, doch von da an bestellte der Veranstalter Jürgen S. nach Recherchen von SAT 1 keine Hotelzimmer, keine Musical-Karten und auch kein Dinner beim Restaurantanbieter mehr. Die Konsequenz mündete für viele Städte-Urlauber in einer unangenehmen Überraschung: sie reisten an, doch für sie stehen in den Hotels weder Zimmer, noch Tickets und auch kein romantisches Dinner bereit. Erst im August 2008 wurde der eBay Verkäufer, das Berlin Touristik Center, vom Geschäftsbetrieb ausgeschlossen. Nach Recherchen von SAT 1 liegt der Schaden, den der Verkäufer angerichtet haben soll, inzwischen bei mehr als 500.000,00 €. SAT 1 befragte Rechtsanwalt Ulrich Schulte am Hülse am 23.08.2008 in der Sendung Akte 2008 zu einigen Rechtsfragen. Aufgrund der Vielzahl an Nachfragen, haben wir die wichtigsten Fragen zu solchen und ähnlichen Fällen kurz zusammengefasst:

Übersicht:

Kann ich den Verkäufer in Anspruch nehmen?

Bei eBay kommen rechtsgültige Verträge zustande. Wurde der Vertrag nicht erfüllt, können Sie den Verkäufer in Anspruch nehmen. Neben der Rückzahlung des Kaufpreises ist an Schadensersatz zu denken. In der Praxis solcher Fälle, machen sich Geschädigte jedoch Gedanken darüber, ob eine unter Umständen teure Investition in eine Inanspruchnahme des Verkäufers zielführend ist? Dies gilt namentlich dann, wenn eine Zahlungsunfähigkeit im Raume steht. In diesen Fällen sollte man alternative Wege prüfen.

Wann haftet der Plattformanbieter (eBay)?

Die Aussage, die eBay International AG hafte für geplatzte Transaktionen nie, ist in dieser Ausschließlichkeit sicherlich nicht richtig. Die Rolle von eBay ist diejenige eines Handelsplattformanbieters. Richtig ist, dass das Vertragsverhältnis einer Reiseleistung nur zwischen dem Reisenden und dem Reiseanbieter zustande kommt. Trotzdem ist im Einzelfall eine Haftung von eBay möglich, aber diese Haftungsmöglichkeit besteht nur unter eingeschränkten Bedingungen. Das ist dann der Fall, wenn man eBay eine Pflichtverletzung vorwerfen kann. In einem Fall wie demjenigen des Berlin Touristik Center existieren meist sehr viele Betroffene. Fast immer häufen sich dann auch die Beschwerden bei eBay, sobald die ersten Leistungen ausbleiben. In diesem Moment erfährt der Handelsplattformbetreiber, dass es offenbar ein Problem gibt und ist jetzt auch verpflichtet alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um weiteren Schaden zu verhindern. Deshalb wurde der eBay-Verkäufer „berlin-touristik“ Mitte August 2008 auch vom Handel ausgeschlossen und das Schwesterunternehmen „touristik-center“ kurz darauf. Wenn eBay aber trotz besserer Kenntnis eine vorwerfbare Zeit untätig geblieben sein sollte, käme auch eine Haftung des Plattformbetreibers in Betracht. Einen solchen Haftungsprozess kann man aber nur dann mit Aussicht auf Erfolg gewinnen, wenn die Geschädigten an beweiskräftige Informationen herankommen. Derartiges funktioniert in der Praxis nur, wenn sich die Geschädigten zusammenschließen und Informationen austauschen.

Was bedeutet globale Kautionsversicherung bzw. Sicherungsschein?

Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Inanspruchnahme einer Kautionsversicherung der wesentlich erfolgversprechendere Weg. Für diesen Fall ist der Reiseveranstalter gesetzlich dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass dem Reisenden u. a. der gezahlte Reisepreis erstattet wird. Diese Verpflichtungen kann der Reiseveranstalter durch Abschluss einer Versicherung erfüllen. Gesetzlich muss der Reiseveranstalter dem Reisenden einen unmittelbaren Anspruch gegen den „Kundengeldabsicherer“ verschaffen. Dies weist der Reiseveranstalter durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung (= Sicherungsschein) nach. Hat der Reiseveranstalter seine gesetzliche Verpflichtung erfüllt, kann sich der Geschädigte direkt an die Versicherung wenden und dort u. a. den Reisepreis und Reiseleistungen geltend machen. Deshalb ist es in solchen und ähnlichen Fällen von Bedeutung, herauszufinden, ob es diese Versicherung gibt. Der eBay-Anbieter Berlin Touristik Center hatte nach Recherchen von SAT 1 im Vorfeld und in der Werbung mit einer solchen Kautionsversicherung geworben.

Wann tritt der eBay Käuferschutz ein?

Die eBay International AG hat ihren früheren Käuferschutz bereits im Februar 2008 abgeschafft. Statt dessen gibt es jetzt nur noch einen sog. „PayPal-Käuferschutz“, d. h. dieser greift nur dann, wenn man eBay-Einkäufe über die luxemburgische Bank PayPal (Europe) S.à.r.l. & Cie, S.C.A. bezahlt hat; übrigens einer Tochtergesellschaft von eBay.

Wann tritt der Käuferschutz von PayPal ein?

Die Werbung der luxemburgischen Bank PayPal ist grundlegend darauf angelegt, dem eBay-Käufer den angebotenen Käuferschutz als Argument für die Nutzung dieses Bezahlsystems schmackhaft zu machen. Trotzdem gibt es in den Geschäftsbedingungen eine Reihe von Ausschlussgründen, wann dieser Käuferschutz nicht greift. Dazu muss man allerdings das Kleingedruckte lesen. Deshalb ist es in solchen und ähnlichen Fällen nicht völlig ausgeschlossen, dass die luxemburgische Bank PayPal geltend machen wird, vom Käuferschutz seien laut den Geschäftsbedingungen immaterielle Güter (lat. Immaterialis, bedeutet hier so viel wie unkörperliche oder geistige Güter), sowie Dienstleistungen ausgenommen. Ob dieser Ausschluss aber auf Reiseveranstaltungen zutrifft, die mittels Gutscheine über eBay verkauft werden, ist zumindest fraglich. Zunächst ist der Reisevertrag kein Dienstvertrag, sondern ein aus dem Werkvertrag heraus entwickelter eigener Vertragstyp. Der in den Geschäftsbedingungen enthaltene Ausschluss für Dienstverträge greift also gar nicht. Ebenso ist die Übersendung einer Urkunde in Papier- oder Kartonform durchaus ein körperlicher Gegenstand.

Ein weiterer Einwand könnte lauten, dass die Geltendmachung des PayPal Käuferschutzes laut den Geschäftsbedingungen innerhalb von 45 Tage ab dem Zeitpunkt der Zahlung geltend gemacht werden muss. Gerade diese Frist ist bei Geschädigten in den vorliegenden Fallkonstellationen typischerweise häufig abgelaufen. Dies liegt daran, dass nach der Transaktion erst gezahlt wird, dann wird der Gutschein versandt, der zumeist ja auch ankommt, so dass sich der Reisende im guten Glauben wägt. Erst beim Einlösen des Gutscheines kommt dann das böse Erwachen. In diesem Moment kann die 45-Tages-Frist schon abgelaufen sein. Beruf sich die Bank PayPal auf den Ausschlussgrund der 45-Tages-Frist, heißt das faktisch, dass es unseriösen Anbietern leicht gemacht wird, weil mit Hilfe des Gutschein-Systems der beworbene Käuferschutz faktisch nie greifen würde.

Die Frage, ob der Ausschlussgrund beim Käuferschutz im Einzelfall greift oder nicht, betrifft eine Reihe von derzeit noch ungeklärten Rechtsfragen. Trotzdem gilt: „probieren geht über studieren“. Geltend machen kann man den Käuferschutz immer und je eher umso besser. Greift der Käuferschutz, liegt die Deckungssumme der in Deutschland und Österreich gekauften Artikel bei 1.000,00 €. In jedem Angebot bei eBay ist der genaue Schutz bei Zahlung mit PayPal oben rechts in der Artikelbeschreibung vermerkt.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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Telefon +49 331 9793750
Telefax +49 331 97937520

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