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Haftet ein Leasinggeber für Aufklärungspflichtverletzungen und arglistige Täuschungen , die der Lieferant gegenüber den Leasingnehmer begangen hat auch wenn der Leasinggeber von alledem nichts wusste ?

Mit Beschluss vom 26. August 2014 – VIII ZR 335/13 hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Leasinggeber für Aufklärungspflichtverletzungen und arglistige Täuschungen , die der Lieferant gegenüber dem Leasingnehmer begangen hat, haftet, obwohl der Leasinggeber von alledem nichts wusste und ob und falls ja unter welchen Voraussetzungen sich der Leasinggeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vollständig von einer solchen Haftung freizeichnen könne. Ilex Rechtsanwälte stellt dar, was der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang konkret entschied.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde ?

Der Kläger war der Inhaber einer Physiotherapiepraxis. Ihm wurden drei Elektrotherapiegeräte im Rahmen von Informationsveranstaltungen vorgestellt seitens der späteren Lieferantin der Leasinggüter. Die Verhandlungen über den Abschluss des Leasingvertrages führte der Kläger ausschließlich mit der Lieferantin, der allerdings der Leasinggesellschaft ihre zum Abschluss des Leasingvertrags erforderlichen Formulare zur Verfügung gestellt hatte.
In dem Leasingformular war unter anderem geregelt, dass, sollte es zu Leistungsstörungen bezüglich irgendwelcher weiterer Dienstleistungen oder Zusagen kommen, die ein Dritter - wie z.B der/die Lieferant(in) - gegenüber dem Leasingnehmer erbringen muss, dies die Zahlungsverpflichtungen des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber nicht berührt. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bestünde in diesem Fall ausdrücklich für den Leasingnehmer nicht.
Gestützt auf die fehlende Einhaltung von vor Gericht streitig gebliebenen Zusagen, die die Lieferantin als Verhandlungspartner gegenüber dem Kläger gemacht haben soll, hat der Kläger unter dem 27. Mai 2011 den Leasingvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und trat hilfsweise vom Vertrag zurück. Die ersten sieben Leasingraten zahlte er anschließend nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung, also ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht hierzu.

Welche Klageanträge wurden vom Kläger gestellt und zu wessen Gunsten entscheiden die Instanzengerichte ?


Der Inhaber der Physiotherapiepraxis als Kläger klagte auf Rückzahlung dieser Leasingraten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Leasingobjekte, sowie auf Feststellung der Beendigung des Leasingvertrages durch die Rücktrittserklärung vom 27. Mai 2011 und auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme der Leasingobjekte und er gewann die Prozesse in der ersten und zweiten Instanz.

Was entschied der Bundesgerichtshof ?

Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten (Leasinggesellschaft) auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hatte.
Der Bundesgerichtshof bekräftigte dabei seine ständiger Rechtsprechung, wonach der Leasinggeber nach für ein Verschulden des Erfüllungsgehilfen oder gesetzlichen Vertreters haftet, wenn der Verkäufer/Lieferant der Leasingsache schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Verkäufer/Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers (Vor-)Verhandlungen mit dem Leasing-nehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt.
Dies folge daraus, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Verkäufer/Lieferanten - mit Aufgaben betraut, die in seinem Verantwortungsbereich liegen.
Dabei könne der Umstand, dass der Verkäufer/Lieferant - wie hier - im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über Leasingantragsformulare der Klägerin und deren Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Leasingraten verfügt hat, ein Indiz dafür sein, dass die Verhandlungen des Lieferanten mit Wissen und Wollen des Leasinggebers erfolgt sind.
Damit einher gehe in diesen Fällen eine Erweiterung der Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflichten des Lieferanten; diesen trifft in einer dem Leasinggeber zurechenbaren Weise auch die Verantwortung dafür, dass das Verhandlungsergebnis gleichermaßen im Erwerbsgeschäft und im Leasingvertrag aufgehe.
Von einer solchen zur Einstandspflicht der Beklagten (Leasinggesellschaft) führenden Zurechnung der im Streit stehenden Erklärungen der Lieferantin sei vorliegend auszugehen, soweit es beispielsweise die vom Kläger (Betreiber der Physiotherapie-Praxis) gestellten Fragen zur Verwendbarkeit der Leasingobjekte (hier: Abrechnungsfähigkeit der mit den Leasinggeräten erbrachten Therapieleistungen gegenüber privaten Krankenversicherungen) sowie für die vom Kläger behaupteten Sonderkonditionen (hier: Rücktrittsrecht und Sondertilgungsrecht) gehe, so der Bundesgerichtshof.
Für eine Zurechnung des Lieferantenverhaltens war es im gegenständlichen Fall unerheblich, dass die Beklagte (Leasinggesellschaft) im vorformulierten Vertragstext darauf hinwies, der Lieferant oder sonstige Dritte seien nicht berechtigt, vom Vertragstext abweichende Vereinbarungen oder Zusagen zu treffen oder den Leasinggeber in anderer Weise zu vertreten.
Unerheblich, da der Lieferant zum Erfüllungsgehilfen des Leasinggebers werde, wenn, für den er zurechenbar einzustehen hat in Bezug auf die dabei entstehenden Hinweis- oder Aufklärungspflichten, wenn sich der Leasinggeber zur Vertragsvorbereitung der Hilfe des Lieferanten bedient, damit dieser die notwendigen Vorgespräche insbesondere zu Auswahl, Beschaffenheit und Erwerbsbedingungen des Leasinggegenstandes und zum Inhalt des Leasingvertrages führt.
Diese Zurechnung zu Lasten der Leasinggesellschaft gilt auch dann , wenn der Lieferant den Leasingnehmer arglistig getäuscht habe.
Von dieser sich auch auf eine falsche Auskunfts- oder Ratserteilung erstreckenden Verantwortlichkeit kann der Leasinggeber sich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vollständig freizeichnen, wenn er in seinem auf eine Vereinfachung der Vertragsabwicklung abzielenden Interesse einen Dritten - den Lieferanten - mit Aufgaben betraut hat, die in seinem Verantwortungsbereich liegen, so der Bundesgerichtshof.

Fazit:

Trotz der (für die Leasinggesellschaft) Zurechenbarkeit von Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzungen sowie arglistigen Täuschungen, die der Leasing-Lieferant begeht, ist es nach wie vor in der Praxis Usus, dass sich ein potentieller Leasingnehmer eine Ware beim Lieferanten (ein Leasinggut) aussucht und der Lieferant die Leasinggesellschaft vermittelt, die wiederum das Leasinggut kauft und einen Leasingvertrag mit dem Leasingnehmer abschließt. Dies, da es im ureigensten Interesse des Lieferantin liegt, eine Ware zu verkaufen, sei es direkt an einen Unternehmer oder Verbraucher oder eben an eine Leasinggesellschaft. Letztere wiederum ist häufig auf die Vermittlung von Lieferanten angewiesen, um ihrer bestimmungsgemäßen Geschäftstätigkeit (selbst gekaufte Waren kostenpflichtig zu verleasen) nachzukommen. Daher ändert sich durch diesen hiermit vorgestellten Beschluss des Bundesgerichtshofes, der wiederum – wie dargestellt – seine ständige Rechtsprechung bekräftigte, an der Grundkonstellation nichts. Dennoch bedarf es stets einer Einzelfallprüfung ob Zurechenbarkeit in diesem Sinne vorliegt, nämlich dann wenn der Lieferant mit Wissen und Wollen der Leasinggesellschaft tätig wurde. Die Überlassung von Leasingvertragsformularen an den Lieferanten, kann dabei ein Indiz für die Erfüllungsgehilfeneigenschaft sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Bei einem Mangel des Leasinggutes, welcher bereits dann gegeben ist, wenn sich eine Sache zum Beispiel nicht für den vom Lieferanten zugesagten und somit vorausgesagten Zweck verwenden lässt, ist es ratsam, die Leasingraten entweder nur unter Vorbehalt zu leisten oder – eleganter in geeigneten Fällen (z.B. bei einem geplanten Gewährleistungsprozess des Leasingnehmers aus abgetretenem Recht gegen den Lieferanten) , da dem Zugriff des Leasinggebers entzogen - diese zum Beispiel bei der Hinterlegungsstelle eines Amtsgerichts zu hinterlegen und diese Hinterlegung der Leasinggesellschaft anzuzeigen. Keinesfalls sollte in diesem Fall weiter vorbehaltlos an den Leasinggeber geleistet werden.

Ilex Rechtsanwälte berät sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen. Es bedarf dabei einer Gesamtwürdigung der Umstände, wenn es beispielsweise darum geht, ob die Leasinggesellschaft – derzeit – die ausstehenden bzw. nur unter Vorbehalt geleisteten Raten –einklagen sollte beziehungsweise an wen der Leasingnehmer in welchem Stadium beim Vorliegen von Mängeln -ggf. in welcher Reihenfolge-herantritt.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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