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Juristische Spitzfindigkeiten? "Thumbnails" verletzen Urheberrecht, Haftung trotzdem fraglich

Auf Internetseiten sind Bilder und digitale Grafiken besonders beliebt, die als sog. Vorschaubilder für eine größere Version verwendet werden. Und da Webdesigner gerne englische Namen verwenden, kriegt man den gleich mitgeliefert. Solche Vorschaubilder werden deshalb als Thumbnail (englisch für Daumennagel) bezeichnet. Der technische Vorteil dieser Vorschaubilder liegt darin, dass kleine Bilder zur kürzeren Ladezeiten beim Aufrufen der Internetseite führen, da Bilder den größten Teil der Datenmenge einer Internetseite ausmachen. Der Besucher kann dann selbst entscheiden, ob und wenn ja, welches Bild er in voller Datengröße betrachten möchte. Meist öffnet sich das Bild in voller Größe, wenn er auf das Vorschaubild klickt. Ein rechtliches Problem entstand daraus, als die Vorschaubilder aufgrund der erheblich verbesserten Speicherkapazitäten von Suchmaschinen und Bildbearbeitungsprogrammen auch in die Darstellung der Suchtreffer eingestellt wurden. Inzwischen lesen selbst moderne Benutzeroberflächen wie Windows XP, KDE und GNOME Vorschaubilder bereits automatisch aus.

Übersicht:

Thumbnails sind urheberrechtlich geschützt

In einer Reihe von Urheberrechtsprozessen der letzten Jahre ging es deshalb um die Frage, ob derjenige, der die Bildrechte inne hat (= der Urheber), gegen denjenigen, der sie auf seiner Internetseite nutzt (= z.B. der Suchmaschinenbetreiber), Urheberrechte geltend machen kann? Die praktische Bedeutung ist enorm, denn wenn Urheberrechte existieren, stehen nicht bloß eine ganze Reihe von zivilrechtlichen Ansprüchen im Raum, etwa Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung, ggf. auch Auskunft etc., sondern eben auch der Strafvorwurf des § 106 UrhG.

Eine Reihe von Gerichten sind der Ansicht, dass Vorschaubilder als urheberrechtlich geschützte Werke anzusehen sind (Landgericht Halle, Urt. v. 15.03.2007 – 3 O 1108/05, MMR 2007, 393; ebenso Thüringer OLG, Urt. v. 27.02.2008 – 2 U 319/07). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich in der Regel um eine stark verkleinerte Darstellungen handelt (Landgericht Hamburg, Urt. v. 05.09.2003 – 308 O 449/03, MMR 2004, 558).
Das bedeutet, dass sich die Urheber der Vorschaubildern grundsätzlich auf ihr Urheberrecht berufen können und Dritte einer Erlaubnis bedürfen, wenn sie diese Bilder verwenden wollen.

Wann haften Suchmaschinenbetreiber?

Trotz des bestehenden Urheberrechtes können sich die Suchmaschinenbetreiber unter Umständen durchaus erfolgreich gegen eine Inanspruchnahme wehren; teilweise steckten sie vor Gericht aber auch eine Niederlage ein. Die Begründungen sind jedoch höchst unterschiedlich.

Zwei Gerichtsentscheidungen des Landgerichtes Hamburg zufolge, die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als angeblich „bahnbrechend“ bezeichnet wurden (FAZ v. 21.10.2008), hatte das Gericht dem Betreibern der Suchmaschine Google, sowie der Telekom, freenet und Hansenet jeweils untersagt, bestimmte Comic-Zeichnungen als Vorschaubilder im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Zudem müssen sie dem Kläger über den Umfang der Nutzung Auskunft erteilen (Urt. v. 14.10.2008 - 308 O 42/06, 308 O 248/07). Zwar zeigte das Gericht Verständnis für die Sicht der Suchmaschinen, bei denen Vorschaubilder für die Strukturierung der dezentralen Architektur des World Wide Web und für das Lokalisieren von weit verstreuten Inhalten sehr wichtig seien. Trotzdem sah sich das Gericht nicht in der Lage zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Hier könne allenfalls der Gesetzgeber tätig werden.

Anders fiel dagegen die Entscheidung des Landgerichtes Halle aus, welches eine Klage gegen einen Suchmaschinenbetreiber abgewiesen hatte. Trotz eines bestehenden Urheberrechtes sei die Verwendung der Vorschaubilder aufgrund einer konkludenten Einwilligung in die Verwertungs- und Nutzungsrechte durch den Urheber im konkreten Fall nicht widerrechtlich gewesen. Das Gericht betonte, dass Suchmaschinen eben auch den Interessen der Urheber dienen, wenn diese eine Internetseite ins Netz stellen. Schließlich hätte in diesem Fall der Urheber ein Interesse daran, dass seine Seite auch gefunden und aufgerufen werden könne. Eine Suchanzeige in Form von „thumbnails“ sei bei der Suche nach Kunstwerken sehr viel aussagekräftiger als Worte, die ein Werk nur unzulänglich beschreiben würden. Aufgrund der Interessenlage des Urhebers sei eine konkludente Einwilligung an der Nutzung durch Suchmaschinenbetreiber anzunehmen.

Das Thüringer Oberlandesgericht hat diese Rechtsansicht in der Berufungsinstanz jedoch nicht mitgetragen, ohne das sich am Ergebnis aber etwas geändert hätte. Das Gericht meinte zwar, an eine Einwilligung des Urhebers seien strenge Anforderungen zu stellen, die nicht bereits dann vorlägen, wenn man Bilder frei und ohne technische Schutzmaßnahmen ins Internet einstellt. Trotzdem wurde die Urheberklage abgewiesen, weil der Urheber im konkreten Fall dem Suchmaschinenbetreiber den Zugriff auf die Internetseite durch eine nachgewiesene Suchmaschinenoptimierung erleichtert und den „Crawler“ des Suchmaschinenbetreibers dadurch angelockt habe. Dazu reiche es aus, dass die Internetseite im Quelltext META-Elemente enthalten habe, die ständig aktualisiert und geändert worden seien. Deshalb sei das Berufen des Urhebers auf eine fehlende Einwilligung zur Verwertung ihrer Bilder durch Suchmaschinen rechtsmissbräuchlich und treuwidrig im Sinne von § 242 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben).

Hinter der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichtes steckt ein juristischer Kunstgriff. Man konnte die Argumentation des Landgerichtes Halle juristisch nicht aufrechterhalten, wollte aber am Ergebnis festhalten. Das Bilder dem geltenden Urheberrechtschutz unterliegen, ist letztlich der Gesetzeslage geschuldet. Ganz erhebliche praktische Auswirkungen hätte es jedoch, wenn man dem Inhaber der Bildrechte zubilligen würde, Schadensersatz durchzusetzen. Damit würde man den aktuellen technischen Fortschritt der Suchmaschinen faktisch um Jahre zurückwerfen, wenn die Betreiber der Suchmaschinen ein Recht zur Bildindexierung von jedem einzelnen Urheber erst „einsammeln“ müssten. Das Bemühen der juristischen Generalklausel der „Treuwidrigkeit“ war vor diesem Hintergrund der Versuch einer „rettenden Zuflucht“, wenn ein Ergebnis ansonsten untragbar erscheint.

Einen gänzlich anderen Weg wählte das Landgericht Bielefeld, welches die Rechtsfrage zu beantworten hatte, ob derjenige, der Thumbnail verwende, ohne über eine Urhebernutzungslizenz zu verfügen, dem Urheber Schadensersatz zu leisten habe. Auch das Gericht in Bielefeld bejaht zwar die Urheberrechte an den Vorschaubildern; verneint aber den Schadensersatzanspruch. Das Gericht meint, Schadensersatz gebe es nur, wenn die Zahlung einer Lizenz der Verkehrssitte entsprechen würde. Eine solche Verkehrssitte habe sich bei der Verwendung von Vorschaubildern derzeit noch nicht herausgebildet. (Urt. v. 08.11.2005 – 20 S 49/05, CR 2006, 350).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Einen anderen Weg, aber mit gleichem Ergebnis, wählte nunmehr der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der zwischen zeitlich per Beschluss vom 29.04.2010 auch in der Revisionsinstanz entschieden hatte (Beschl. v. 29.04.2010 – I ZR 69/08). Der Bundesgerichtshof entschied entgegen der Ansicht des Landgerichtes Halle, dass ein Rechtsinhaber, der sich gegen die Verwendung seiner Bilder wehrt, Google nicht einfach per se eine stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung zur Nutzung seines Werkes eingeräumt habe, nur weil er seine Bilder ins Internet gestellt habe. Trotzdem sei der Eingriff in das Urheberrecht solange nicht rechtswidrig, wie der Anbieter der Suchmaschine dem Verhalten der Künstlerin entnehmen darf, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke einverstanden.

Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist eine bislang umstrittene Rechtsfrage nunmehr beantwortet: Solange jemand seine Bilder im Internet veröffentlich und keine technischen Vorkehrungen ergreift, dass diese Bilder von Google und anderen Anbietern von Suchmaschinen gefunden werden, kann er die Vorschaubilder nichts unternehmen. Allerdings besteht die technische Möglichkeit durch einen einfachen Eintrag in der Robots.txt-Datei, zu verhindern, dass Bilder von den Suchmaschinen ausgelesen werden.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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Telefon +49 331 9793750
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